Ein Thüringer auf hoher See
Blintendorfer "flüchtet" von der Landwirtschaft in die weite Ferne
Von OTZ-Redakteur Peter Hagen Schleiz. Nach zwölfmonatiger Bauzeit verließ gestern Aidablu die Baudockhalle der Meyer Werft in Papenburg. Ein Ereignis, das nicht nur in Niedersachsen auf großes Interesse stößt, sondern ganz speziell auch in Thüringen. Der Kapitän dieses größten Keuzfahrtschiffes unter deutscher Flagge kommt nämlich aus Schleiz.
Dr. Friedhold Hoppert, ein Mann der ersten Stunde bei der Aida-Flotte, übernimmt in wenigen Tagen das Kommando auf dem Schiff, zu dem 607 Besatzungsmitglieder gehören werden, die Verantwortung für bis zu knapp 2200 Passagiere tragen.
Wie fand Friedhold Hoppert, 1950 im Elternhaus in Blintendorf geboren, den Weg vom waldreichen Thüringen auf die hohe See? "Es war ein bisschen die Flucht aus der Landwirtschaft", verrät der Kapitän fast etwas verschämt. Denn die Eltern unterhielten neben dem Gasthaus auch einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Und da musste der Junge schon kräftig mit zupacken, während die Altersgefährten Baden waren oder zum Tanz gingen. Als nach dem Schulbesuch in Blintendorf und Göritz die Berufsausbildung anstand, fiel Friedhold Hoppert eine Broschüre in die Hand, in der verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten vorgestellt worden waren. Die Lehre zum Vollmatrosen der Handelsschifffahrt schien ihm das Richtige zu sein. Zwei Jahre dauerte die Ausbildung, übrigens u. a. auf dem MS "Fichte". Dem Lehr- und Frachtschiff, das in den 70er Jahren in der DDR-Fernsehserie "Zur See" Popularität erlangte.
"Dann bin ich zwei Jahre als Vollmatrose vor Mast gefahren", blickt der heutige Kapitän zurück und verwendet dabei eine seemännische Redewendung, die besagt, dass Matrosen "vor dem Mast" leben, im Gegensatz zu den Schiffsoffizieren in den Kajüten. Da hinein will auch der junge Friedhold Hoppert und legt in Intensivkursen an der Seefahrtsschule das Abitur ab, um dann ab September 1970 das Hochschulstudium aufzunehmen. Dieses schließt Friedhold Hoppert als Dipl.-Ing. für Schiffsführung mit dem großen Kapitänspatent ab und darf seither alle Arten von Schiffsfahrzeugen auf allen Seegebieten der Erde führen. "Ausgehändigt bekommt man das Patent allerdings erst nach 24 Monaten störungsfreier Fahrt", weist Dr. Friedhold Hoppert auf eine Besonderheit hin, die durchaus mit dem Führerschein auf Probe vergleichbar ist.
Inzwischen weltweit im Stückgutverkehr unterwegs, besucht Friedhold Hoppert 1984 bis 1987 die Hochschule und promoviert. Das Thema seiner wissenschaftlichen Arbeit: "Mathematische Modelle zur Standortlinienbestimmung". Eine Art Vorstufe dazu, "wie man aus Funkmesswerten in Karten den Standort bestimmen kann", versucht er dem Laien den Inhalt seiner Doktorarbeit einigermaßen verständlich zu machen. Nach der Promotion kehrt Dr. Friedhold Hoppert zur aktiven Seefahrt zurück, ist mit Stückgut- und Containerschiffen auf den Weltmeeren unterwegs. Er erlebt auch, wie nach dem politischen Umbruch die Zahl der Mitarbeiter bei der Deutschen Seerederei von einst 8500 auf 400 sinkt.
Eine neue Herausforderung soll ihn Mitte der 90er Jahre erreichen. "Seit 1993 gab es Planungen zu einem Clubschiffprojekt, das in seinem Grundgedanken mit den Kreuzfahrten im herkömmlichen Sinne brach." Als er 1995 direkt gefragt wird, sich an dem Aida-Vorhaben zu beteiligen, ist er sofort dabei. Der Kontakt mit deutlich mehr Menschen an Bord ist besonderer Anreiz. Und so steht Dr. Friedhold Hoppert im Juni 1996 als "Stuff-Captain" auf der Brücke der damals in Finnland gebauten ersten Aida, die später mit dem Flottenzuwachs den Namen Aidacara bekommt.
Am 28. November 2009 hat Kapitän Hoppert mit der Aidaluna, die auf der Kanarenroute unterwegs ist, angelegt und seinen Urlaub angetreten. Jetzt übernimmt er das Kommando auf dem neusten Schiff der Urlauberflotte. Ist seine Heimat das Meer, wie es einst Lolita besang? "Nein, mein Zuhause ist in Schleiz", sagt er sofort, "hier wollten wir auch nie weg." Seit 1975 wohnt er in der thüringischen Kreisstadt. Es ist das Jahr, in dem er seine Frau heiratet und mit der er auch heute noch nach monatelanger Trennung glücklich jede Stunde an Land genießt.
05.01.2010"
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